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„Das ist keine Suchmaschinenoptimierung, das ist Spam.“ — Interview mit Johannes Beus, SEO

Seit 2002 bietet Johannes Beus über seine Webseite SISTRIX Suchmaschinenoptimierung an. Wie vielen Seiten er im Laufe der Zeit bei Google und Co. zu einem besseren Ranking verholfen hat — er weiß es selbst nicht mehr. Im Interview mit 1000ff erklärt er den Unterschied zwischen guter und schlechter Optimierung, beklagt das amateurhafte Vorgehen der Möchtegern-SEOs und distanziert sich von allerlei illegaler Praktiken.

SEOs haben in der Internet-Öffentlichkeit einen schlechten Ruf; stehen für viele auf einer Stufe mit V!agra-E-Mail-Spammern. Wie unterscheidet sich das Vorgehen von SISTRIX von dem der Hobby-SEOs?

Ich beschäftige mich nun schon eine längere Zeit mit Suchmaschinen und der Optimierung von Webseiten für diese. Ich glaube, dass diese Erfahrung und die über die Jahre gereifte Erkenntnis von zugrundeliegenden Zusammenhängen wesentlich dazu beiträgt, „bessere“ Entscheidungen zu treffen, als dies viele, die diesen Job erst einen kurzen Zeitraum ausüben, können. Leider wird das Berufsbild aber zunehmend von denen geprägt, die am lautesten schreien und ihre zweifelhaften Techniken als SEO verkaufen. Suchmaschinenoptimierung ist kein Hexenwerk – es geht um saubere, solide Arbeit und etwas Erfahrung. Im Idealfall fällt SEO gar nicht als solches auf, sondern tritt hinter die Seite zurück.

Was ist mit Unternehmen, die sich keine SE-Optimierungen leisten können oder wollen, keine Ahnung vom Thema haben oder schlicht den Einfluss von SEO unterschätzen? Sehen Sie die Gefahr einer „Zweiklassen-Gesellschaft“ im Web?

Das schöne an Suchmaschinen ist, dass dort erstmal Chancengleichheit herrscht. Google guckt sich eine große Zahl von Kriterien an und sortiert danach seine Trefferlisten. Dabei hat der kleine Onlineshop aus der Garage prinzipiell die gleichen Möglichkeiten, wie ein Shopping-Gigant wie Amazon. Betreiber von Seiten, die sich keine professionelle SEO-Betreuung leisten können, haben immerdie Möglichkeit, das SEO für ihre Projekte selber durchzuführen. Das kostet zwar (sehr) viel Zeit, ist aber nur mit minimalen Kosten verbunden.

Mal davon abgesehen, dass viel mehr Menschen und Unternehmen in Ihrer Branche tätig sind: Was hat sich an der SE-Optimierung in den letzten Jahren geändert und wie sehen Sie die Zukunft?

War SEO früher ein Thema, das nur für einen sehr kleinen Kreis von Personen und Firmen interessant war, hat sich dies in den letzten Jahren grundlegend geändert. Es gibt immer mehr und größere SEO-Agenturen, die Kunden, welche für das Thema zunehmend sensibilisiert sind, bedienen. Teilweise sehe ich auch schone eine Überhitzung: SEM-Agenturen oder Webdesign-Firmen bieten SEO an, obwohl die Kompetenzen in diesem Bereich klar fehlen und in jeder zweiten Ausgabe irgendeiner Internetzeitschrift verkündet ein selbsternannter SEO-Gott seine Weisheiten. Ich denke, dass sich dieser Trend noch eine Weile fortsetzen wird, dann aber eine Professionalisierung einsetzt – hoffentlich.

Wie viel müsste ich der Firma SISTRIX zahlen, um bei Google auf Platz 1 für das Keyword „Suchmaschinenoptimierung“ zu kommen? Mit welchen Mitteln und Methoden würden Sie es versuchen?

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Zusammenarbeit zwischen Kunde und SEO-Dienstleister nur dann längerfristig für beide Seiten zufriedenstellend funktionieren kann, wenn der Kunde Inhalte oder Dienstleistungen hat, die in ihrer Art einzigartig sind und der SEO-Dienstleister nun mit seinem Knowhow helfen kann, diese besser in den Suchmaschinen auffindbar zu machen. Da ich einen Großteil meiner Arbeitszeit mit eigenen Internetprojekten verbringe und dort auch die Haupteinnahmequelle liegt, habe ich zum Glück die Freiheit, bei Kunden sehr genau zu überlegen, ob die Zusammenarbeit sowohl dem Kunden, als auch mir etwas bringt. Das Abarbeiten von „Keywordwunschlisten“ gehört eher nicht dazu ;-)
Die Herangehensweise ist sehr individuell. Häufig ist es so, dass ich zuerst versuche, die Ziele und Erwartungen des Kunden genau zu verstehen um dann ein maßgeschneidertes SEO-Konzept zu erstellen. Dies wird mit dem Kunden besprochen, ich überwache und helfe bei der Umsetzung und stehe danach bei dem Monitoring der Ziele zur Seite.

Ist die Grenze zwischen „white hat SEO“ (legal) und „black hat SEO“ (illegal) fließend? Wo liegt für Sie der Punkt, an dem Sie sagen: Bis hier hin und nicht weiter.

Zuerst einmal kurz zur Klärung der Begrifflichkeiten: Als White-Hat-SEO werden Vorgehensweisen und Techniken bezeichnet, die in Übereinstimmung mit den Google Webmaster-Guidelines stehen; Black-Hat-SEO sind folglich solche, die gegen die Regeln der Suchmaschine verstoßen. Da Google aber, soweit ich weiß, noch keine gesetzgebende Kompetenz in Deutschland genießt, kann man hier nicht von „legal“ und „illegal“ sprechen.
Die Grenze zwischen den beiden Herangehensweise ist in der Tat fließend. Zusätzlich kommt noch hinzu, dass Suchmaschinenbetreiber ihre Regeln auch anpassen und Mittel und Wege, die vor einem Jahr noch genehm waren, auf einmal nicht mehr „erlaubt“ sind – hier ist also eine kontinuierliche Überprüfung der eigenen Arbeit erforderlich. Der Punkt, ab dem ich ganz sicher nicht mehr beratend zur Seite stehen würde, ist der, wenn Maßnahmen illegal würden. So scheint es derzeit in Mode, die vielfältigen Möglichkeiten von beliebten Blogsystemen wie WordPress zur Fernadministration fremder Blogs zu nutzen und unsichtbare, für Suchmaschinen aber durchaus wirksame Links zu hinterlegen. Da ich allerdings noch nie einen Kunden hatte, der auch nur die Grauzone zwischen White- und Blackhat-SEO abgefragt hat, ist und wird dies vermutlich auch in Zukunft eine rein theoretische Frage bleiben.

Suchmaschinenoptimierer sprechen gerne euphemistisch von „Linkaufbau“. Ich finde ein anderes Wort passender: Linkspam. Was bedeutet „Linkaufbau“ überhaupt?

Suchmaschinen wie Google setzen stark auf Verlinkungen als Maßstab für die Relevanz einer Seite. Aufbauend auf der Überlegung, dass eine Seite, die von 100 Leuten verlinkt wird, vermutlich „besser“ ist als eine, die nur von 10 Seiten Links erhält, ist es für die Verbesserung der Suchmaschinenplatzierung von Seiten also vielfach notwendig, die Anzahl und Qualität der eingehenden Links zu erhöhen. Dass eine Gruppe selbsternannter Suchmaschinenoptimierer dabei leider reichlich dilettantisch vorgeht und saubere Arbeit mit dem Vollspammen von Gästebüchern, Foren und Blogs verwechselt, ist schade und vielfach ärgerlich. Ein Großteil der Suchmaschinenoptimierer arbeitet allerdings sauber und mit der Richtlinie, dass ein guter und natürlicher Aufbau der Verlinkung nie als Arbeit eines SEO zu erkennen sein sollte.

Auf SEO-Webseiten findet man „Reise Berichte“ oder gar eine „Gutschein Welt“. Warum haben Suchmaschinenoptimierer das Deppenleerzeichen so dermaßen verinnerlicht?

Ist das beim Durchschnitt aller Blogger besser? Ich glaube nicht, dass man hier von einer Rechtschreibschwäche, die nur unter Suchmaschinenoptimierer grassiert, sprechen kann.

Was sagt der PageRank, die Währung in SEO-Kreisen, in Zeiten von LinkLift und TextLinkAds eigentlich noch aus? Ist die erfolgte PageRank-Abstrafung der Linkverkäufer durch Google gerecht?

Der PageRank, den man beispielsweise über die Google Toolbar sehen kann, sagt soviel und sowenig aus wie jeher. Auf der einen Seite ist er ein toller Indikator, da er unabhängig von Suchanfragen etwas zur Relevanz einer URL aussagt, auf der anderen Seite darf man seine Stellung auch nicht überschätzen. Eine reine Schwarz-Weiß-Betrachtung wird hier, wie so häufig, der Realität nicht gerecht.
Die Frage, ob die Herabsetzung des PageRanks einiger Linkverkäufer „gerecht“ war, stellt sich in meinem Augen nicht. Google hat das Recht, die Spielregeln für seine eigene (!) Suchmaschine beliebig zu gestalten und zu ändern.

Viele Blogbetreiber haben sich in den letzten Monaten leider mit dem Phänomen „manueller Kommentar-Spam“ auseinandersetzen müssen. Ein auf den ersten Blick harmloser Kommentar entpuppt sich beim Blick auf die hinterlassene URL als der Versuch, PageRank und sog. „Linkjuice“ abzugreifen. Es kursieren „No NoFollow Blog“-Listen und in einschlägigen Foren wird darüber diskutiert, inwieweit der als „kostenlose Backlinks“ angepriesene Kommentar-Linkspam am besten und unauffälligsten für eigene Zwecke genutzt werden kann. Was halten Sie von diesen „No NoFollow Blog“-Listen und dem scheinheligen Hinweis, man möge doch bitte einen „guten“ Kommentar hinterlassen?

Das ist keine Suchmaschinenoptimierung, das ist Spam. Leider gibt es Gruppen, die stark auf solche Vorgehensweisen setzen und das Bild von Suchmaschinenoptimierern in der Öffentlichkeit extrem negativ prägen. Ich habe das Problem mit diesen Spamkommentaren in meinem SEO-Blog selber und zweifel doch häufiger an den intellektuellen Kapazitäten der Kommentatoren, dies gerade in einem Blog, das sich ganz offensichtlich mit dem Thema beschäftigt, zu machen. Erschreckend finde ich, dass mittlerweile sogar Firmen in Deutschland das Verfassen von Spamkommentaren als Dienstleistung anbieten – und offensichtlich Käufer finden. Ich bin mir allerdings sicher, dass Google das Problem in Zukunft auch in den Griff bekommen wird und das Problem somit so verschwindet, wie es aufgetreten ist: durch Google.

Was denken Sie persönlich, wenn Sie bei Google einen Begriff eingeben und acht der zehn ersten Ergebnisse auf SEO-gepimpte MFA-Seiten („Made for Adsense“) verweisen? Fühlen Sie sich als Betreiber einer SEO-Firma und Autor von „Suchmaschinenoptimierung für Einsteiger“-Tutorials mitschuldig?

Nein, sollte ich? Zum einen finde ich die Qualität der Googleergebnisse mittlerweile nahezu durchgehend gut bis sehr gut. Bei „größeren“ Suchbegriffen ist der Anteil der Spamseiten extrem gering und auch bei longtail-lastigeren Suchen hat Spam nur geringe Chancen längerfristig dort stehen zu bleiben. Zum anderen distanziere ich mich in meinem SEO-Tutorial klar von Spam und vermittele keine Grundlagen dafür.

(1000ff bedankt sich für das Interview.)

Bildnachweise
Logo von sistrix.com
Ausschnitt ‚Spam-Wallpaper‘ (cc) Enjoy Surveillance

Schlagwörter:

14 Gedanken zu „„Das ist keine Suchmaschinenoptimierung, das ist Spam.“ — Interview mit Johannes Beus, SEO“

  1. So scheint es derzeit in Mode, die vielfältigen Möglichkeiten von beliebten Blogsystemen wie WordPress zur Fernadministration fremder Blogs zu nutzen und unsichtbare, für Suchmaschinen aber durchaus wirksame Links zu hinterlegen.

    Ich nehme an, dass sich Herr Beus Johannes dabei u.A. auf diese Geschichte bezieht.

    Ansonsten: Danke für das Interview!

    Ich bin gerade übrigens dabei, für 1000ff einen Beitrag darüber zu verfassen, wie man dem SEO-Spam Herr wird.

  2. Frank, kannst mich auch gerne Johannes nennen ;-) Und ja, das ist ein Beispiel für dieses Vorgehen, es gibt aber noch unzählige ähnlich gelagerte Fälle. Ich bin ehrlich gesagt entsetzt, dass Teile der Branche anscheinend den Weg in die Illegalität wählen und es somit den E-Mail-Spammern gleichtun.

  3. Pingback: BlogTopf.de - von Paul Neumann

  4. Das „Deppenleerzeichen“ machen einige Webmaster vielleicht auch nur, weil die Seite schließlich für den User gemacht werden sollte. Und wenn der User nun mal gern „Deppenleerzeichen“ macht, wird das halt so umgesetzt. Der User ist schließlich König.

  5. Danke für das interessante Interview; kann nur zustimmen: die Grenze zwischen White Hat und Black Hat ist in der Tat fliessend und in den nächsten Monaten und Jahren werden werden wir uns noch mit vielen „Rankinganpassungen“ herumschlagen müssen. Man tut gut daran, seine eigenen Arbeitsmethoden von Zeit zu Zeit genau zu hinterfragen.

  6. Pingback: Felix Wunderwald Blog » Blog Archiv » Interview mit Sistrix

  7. Sehr, sehr schönes Interview – vielen Dank mal vorab. Es ist schon komisch, das man als interessierter Leser unter BlackHat kleine Verbrecher vermutet…Google trichtert einem das eigene Recht quasi schon ein ;-)

    Gute Nacht!

  8. Klare Worte von Johannes, denen an sich kaum etwas hinzuzufügen ist. Aufgefallen ist mir vor allem das Deppenleerzeichen – hier scheint es sich bei manchen SEO’s weniger um eine Rechtschreibschwäche zu handeln (obwohl in diesem für SEO wichtigen Bereich zuweilen durchaus Probleme vorhanden zu sein scheinen) als vielmehr um eine Strategie. Ob sinnvoll oder nicht, sei dahingestellt.

  9. Pingback: SEO-Blog » Kommentarspam und wie man ihn bekämpft

  10. Pingback: Suchmaschinenoptimierung oder Spam? | DRISOL

  11. Hat sich jemand von Euch schonmal die Frage gestellt wo Johannes ala „Sistrix“ überhaupt rankt?

    Solltet Ihr mal fragen ….. denn von Sistrix „Optimierungen“ ist nichts zu sehen – zumindest nicht auf den ersten Plätzen – und dann Interviews geben!

    Hmmmm … na denn – macht mal weiter ;-)

    Freak

  12. > Zum einen finde ich die Qualität der Googleergebnisse mittlerweile nahezu durchgehend gut bis sehr gut.

    Gut? aus Sicht eines SEOS vielleicht, wenn google überhaupt noch benutzt wird, kann man´bei 9 von 10 Suchbegriffen auf der unteren Hälfte der ersten Seite oder besser gleich auf Seite 2 anfangen zu suchen, wenn man Ergebnisse will, die nicht aus Vergleichsseiten, Preissuchmaschinen und vergleichbaren Müll bestehen. Sorry, in letzter Zeit selten so ein Quatsch gelesen.

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