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Reframe It: Das gesamte Web kommentieren

Wie oft kommt es vor, dass man sich über einen Text, ob Blogeintrag, wissenschaftliche Publikation oder Artikel aus einer Online-Zeitung, ärgert — weil er offensichtlich manipulativ ist, wichtige Informationen fehlen und / oder es schlicht nicht möglich ist, zu kommentieren? Klar, man kann seinen Ärger in einem Blogpost verarbeiten. Markante Stellen zitieren, kritisieren, veralbern, verbessern. Problem dabei: Die meisten anderen Leser werden trotzdem nur den Originaltext, nicht aber deinen Blogartikel lesen.

Hier setzt Reframe It, mit dem schönen Buzz-Slogan „Community-Created Context“ (etwa: Von der Gemeinschaft erschaffener Zusammenhang) an. Dabei handelt es sich um ein AddOn für den Firefox, welches nicht weniger macht, als das Web um eine Metaebene zu erweitern. Ganz konkret: Mit Reframe It lässt sich jede Webseite kommentieren. Und zwar nicht auf die übliche, „zweidimensionale“ Art mit einem aneinander gereihten Kommentar auf den anderen. Vielmehr lassen sich bestimmte Passagen in Texten markieren und kommentieren, die Art des Kommentars gewählt werden („Allgemeiner Kommentar“, „Gegenargument“, „Unterstützendes Argument“, „Frage“, Vorschlag“) und mit Tags verschlagwortet werden. Reframe It bricht dabei den üblichen Lesefluß „von oben nach unten“ auf, indem die Kommentare in einer zusätzlichen Browserspalte neben dem Text dargestellt wird. Die Leiste bewegt sich mit, wenn der Text heruntergescrollt wird. Auf die Kommentare kann direkt geantwortet werden.

 

Wie Reframe It funktioniert

Klingt das verwirrend? Dann wollen wir doch mal konkret werden. Nachdem wir die Firefox-Erweiterung installiert, einen Account angelegt und uns über eine neue Leiste im Browser eingelogt haben, gehen wir in die Vollen und krallen uns eine stinklangweilige Rede der Bundeskanzlerin.

Kanzlerinnenrede

Dort kommt, aller Langeweile zum Trotz, der bemerkenswerte Satz „Ich ahne, wovon ich spreche, meine Damen und Herren“ vor. Den markieren wir, klicken mit der rechten Maustaste drauf und wählen „Reframe It – Add Comment Here“:

Im aufpoppenden Fenster geben wir unseren Kommentar ein. Es können Links eingefügt, Themen gewählt und Tags vergeben werden.

Klick auf „Post“ und fortan popt bei jedem, der die ReframeIt-Erweiterung installiert hat, die Seitenleiste auf, sobald er die Website mit der Rede betritt. Steht der Mauspfeil über dem Kommentar, wird sogar die Textstelle, auf die er sich bezieht, farblich hervorgehoben.

Andere eingeloggte User können meinen Kommentar jetzt bewerten und direkt darauf antworten. In einer anderen Diskussion (hier die Startseite von reframeit.com) sieht das z.B. so aus:

Wenn die Kommentarspalte zu voll ist, kann man auch die Anzeigekriterien einengen, nach Bewertung, Kommentarart, Freunden, Gruppen, Themen oder Benutzer-„Autoritäten“.

Benutzergruppen können von jedem gegründet werden. Einstellbar ist für diese, gruppeninterne Kommentare auch nur für Gruppenmitglieder anzeigen zu lassen.

 

Zweck und Einsatzmöglichkeiten

Es wäre sicherlich utopisch zu glauben, dass der Service in nächster Zeit eine solche Verbreitung findet, dass man alle Naselang auf Seiten stößt, die eigene ReframeIt-Diskussionen haben. Diesen Anspruch erheben die Macher aber auch gar nicht. Es geht vielmehr darum, bestimmte Benutzergruppen und Interessenbereiche zu bündeln und ihnen diese Form der Diskussion zu ermöglichen. Als konkrete Einsatzzwecke hat die kalifornische Firma etwa vorgeschlagen sich die Seiten der US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten vorzunehmen, zu hinterfragen und argumentativ zu kommentieren. Auch Lehrer und Schüler könnten so in eine neue Art der Textdiskussion treten.

Für Deutschland wäre denkbar, etwa eine Gruppe für solche User zu gründen, die verärgert darüber sind, dass das BildBlog keine Kommentare zulässt. Oder eine für Watchblogger, die rechtsradikale Webseiten unter die Lupe nehmen.

 

Technik

Mal ganz abgesehen davon, dass RI zwangsläufig Probleme mit dynamisch erstellten Webseiten haben muss (etwa Google-Suchergebnislisten oder Startseiten von Blogs) und das technisch zu lösen nicht gerade trivial sein dürfte — ist ReframeIt ein noch ziemlich neuer Service, bei dem gerade im Interface noch diverse „Kanten abgefeilt“ werden müssen. Zum Beispiel täten den Kommentaren Formatierungsmöglichkeiten gut. Auch sollten sich die Macher noch einmal überlegen, ob sie nicht doch eine Editier- und Löschfunktion für die geposteten Kommentare einbauen. Eine kleinere Version der Toolbar bzw. verschiebbare Buttons wären schön. Die Benutzerprofil-Seiten und das Look & Feel der Seite könnten insgesamt noch verbessert werden.

Das alles sind aber vergleichsweise vernachlässigbare Dinge, die mittelfristig lösbar sind. Man sollte sich hingegen als Benutzer des Addons bewusst sein, dass man seine gesamte Surfhistory (die Adresse aller besuchten Webseiten) an Reframe It sendet und darauf basierend ziemlich gute Persönlichkeitsprofile erstellt werden könnten. Die etwas schwammig formulierte Datenschutzerklärung sollte jeder lesen und mit sich selbst abmachen, ob die Bedingungen okay sind.

 

Tips

Im Addon-Menü des Firefox lassen sich einige Dinge einstellen. Empfehlenswert ist auf jeden Fall im Menü „Margin“ die Option „Show when there are comments, hide otherwise“ einzuschalten, damit der Reframe It-Balken nur wenn nötig eingeblendet wird. Ich empfehle ausserdem im Reiter „Comments“ die „Highlight Background Color“ auf ein helles Rot oder ähnlich zu ändern, damit die Textpassagen deutlicher hervorgehoben werden, wenn man den Mauspfeil über einen dazugehörigen Kommentar bewegt.

 

Fazit

Reframe It ist eine klasse Idee und hat großes Potential für demokratische Aushandlungs- und Partizipationsprozesse sowie für die Diskussionskultur im Web. Die Idee funktioniert aber trotz allem nur mit einer soliden Userbasis. Mit guter Werbung und konstanten Verbesserungen an der Seite könnte das aber durchaus etwas werden.

 

Links

2 Gedanken zu „Reframe It: Das gesamte Web kommentieren“

  1. Ich weiß den Namen leider nicht mehr, aber ich hatte mal ein ähnliches Firefox-Addon installiert, das Besuchern einer Webseite die Kommentare von anderen anzeigte — gleichzeitig konnte man auch damit chatten.
    Interessant wäre es, wenn Mozilla sich entschließen würde sowas standardmäßig in Firefox zu integrieren, dann gibt’s dieses Henne-Ei-Problem nicht (Leute machen nicht mit, weil sie nirgendwo Kommentare sehen).

    …und für Bildblog-Kommentare gibt’s das Bildblog-Forum (na ja). ;)

  2. Oh, das wär ganz interessant zu wissen, wie das Addon hieß, das Du ausprobiert hattest. Ich hielt die Idee eigentlich für ziemlich einzigartig, aber wenn das auch nur’n Plagiat ist… :P
    Die Broiler-Rührei-Problematik halte ich hier aber mittels der Gruppen-Sache vom Ansatz ganz gut gelöst.

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