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Filesharing 2.0

Das Blöde an Hypes ist ja, dass sie manchmal berechtigt sind. Der Firefox ist nunmal ein guter Browser, die erste Platte der Strokes war wirklich fantastisch und Flickr macht tatsächlich einfach Spaß.

Seit einigen Monaten wirft AllPeers seine Schatten voraus. Ständig hört man was von denen. Mal ergattern sie einen Haufen Risikokapital, dann verzögert sich eine öffentliche Version Monat um Monat, dann laden sie einen Haufen User zum geschlossenen Beta-, ja, Beta-Test ein. Und zwar die überschaubare Menge von 50.000 Leuten. Man könnte meinen, die Jungs in Prag hatten Google Mail als Promo-Lehrmeister. Naja, immer noch besser als Duke Nukem Forever. Nun, da sich eine echte öffentliche Version abzeichnet und die ersten Betatester höchst zufrieden Lobhudeleien in die Technologie-Blogs des Planeten wispern, lässt sich eine erste, sehr zurückhaltende, Prognose stellen. AllPeers wird die Welt verändern!

Aber fangen wir mal ganz klein an und erklären, was AllPeers eigentlich ist. Nämlich…

  • eine Firefox-Erweiterung. Das heißt, man kann sie auf Macs, Linuxen und Windowses verwenden, die Installation dürfte Pipifax sein und Updates werden automatisch eingespielt.
  • ein Instant Messenger. Genau wie in ICQ, MSN und anderen Plagen Tools dieser Art lassen sich Kontakte anlegen, in Gruppen („Familie“, „Freunde aus der Schule“, „A-Blogger“, „Briefmarkenclub Erlangen“, „Bundeswehrkameraden“, „Psychiatriebekanntschaften“) einpflegen und gepflegte Konversationen mit genau denen zelebrieren, wenn sie online sind.
  • eine Medien- und Rechteverwaltung. Mit Drag and Drop kann man die Urlaubsvideokollektion 1998 bis 2006 in einen (virtuellen) Ordner „Acht Sommer Fuerteventura“ ziehen und der Gruppe „Familie“ zugänglich gemacht werden, währen die Kameraden vom Bund genau die nicht, dafür aber die Kollektion an Böhse Onkelz-Bootlegs angeboten bekommen.
  • ein BitTorrent-Client. Dateien können zwischen den Usern gegenseitig heruntergeladen werden. Die Downloader unterstützen sich dabei gegenseitig, indem sie auch untereinander Dateiteile austauschen. Wenn eine der Parteien nicht mehr online ist – kein Problem – der Download wird zum nächstmöglichen Zeitpunkt fortgesetzt.
  • eine gelungene Mischung ein gelungenes MashUp aus allem Vorangegangenen und dadurch „sozial“ „Web 2.0“.

Um den letzten Punkt zu erläutern: Bis jetzt war Filesharing eher etwas für Geeks. Die existierenden Systeme haben alle mehr oder weniger gravierende Nachteile. Bei KaZaA wurde man mit Fakefiles überschwemmt, im eMule dauert es ewig, bis eine Datei heruntergeladen ist (wenn man es überhaupt schafft, als 08/15-User den Client richtig zu konfigurieren), für BitTorrent muss man erst einmal die interessanten Torrent-Seiten finden, eine native Dateisuche gibt es nicht. AllPeers hat das Potential, all diese Probleme zu umschiffen, weil es einfach, sicher und sozial ist. Sozial deswegen, weil, ähnlich wie in anderen Web 2.0-Umgebungen, das Kollektiv bzw. bestimmte Punkte im Kollektiv die Orientierung in einem sonst ungeordneten Chaos an Daten übernehmen. Anders gesprochen: In eMule muss man wissen, was man herunterladen will, erst dann kann man danach suchen. Bei Flickr last.fm oder del.icio.us hingegen weiß ich: Diesen Benutzer kenne ich. Weil ich seine Fotos / seinen Musikgeschmack / seine Bookmarks mag, schaue / höre ich mir das an. Unbekannte Inhalte erhalten deswegen eine Chance, weil andere Menschen mit Kompetenz sie dir zur Verfügung stellen. Genauso funktioniert auch AllPeers, weswegen es ebenfalls Web 2.0 ist.

Falls sich das in deinen Ohren etwas zu obskur anhört, kannst Du es dir in der Praxis so vorstellen.

  1. Martin geht an seinen Computer und sieht im AllPeers-Fenster seines Firefox, dass Kevin online ist.
  2. Er durchwühlt die Dateien, die Kevin seinen „Buddys“ (Name der Gruppe) freigegeben hat, findet aber nicht, was er sucht.
  3. Martin schreibt Kevin: „Du hast mir doch neulich von diesem Open Source-Fußballspiel erzählt. Kannst Du mir das mal freigeben?“
  4. Kevin antwortet: „Kein Problem, gerne.“ und zieht die Archivdatei auf die entsprechende Stelle in seinem AllPeers-Fenster. Dann stellt er ein, dass die Datei allen seinen „Buddys“ zugänglich sein soll.
  5. Martin sieht das und startet den Download. Kevins Rechner lädt nun die Datei hoch.
  6. Ute kommt auch online und sieht, dass Kevin die Datei anbietet. Sie entscheidet sich auch, das Spiel herunterzuladen.
  7. Ute und Martin kennen sich ebenfalls gegenseitig und haben sich in ihrer Kontaktliste. Ute lädt jetzt Teile der Datei von Kevin (nämlich die, die Martin noch nicht hat) und welche von Martin. Gleichzeitig lädt sie aber auch Teile der Datei an Martin hoch.
  8. Nach einiger Zeit macht Kevin den Computer aus. Weder Martin noch Ute haben die Datei zu dem Zeitpunkt komplett. Macht nichts: Sie schustern sich gegenseitig noch die fehlenden Teile der Datei zu, bis beide sie komplett haben.

AllPeers baut ein Darknet auf. Man verbindet sich selbst nur zu vertrauenswürdigen Personen und sperrt den Rest der Welt aus, der ja böse Absichten haben könnte. Ob das nun Mirko ist, der Zugriff auf deine persönlichen Daten haben will oder Clemens, der rasch nachschauen will, ob Du irgendetwas Illegales runterlädtst, um dich beim Rechteinhaber oder Staatsanwalt anzuschwärzen.

Vom unvermeidlichen Austausch riesiger Mengen nichtlizensierten Krams – was konträr zum Zeitgeist immer noch illegal ist – abgesehen ist eine „zivile“ Nutzung dieser Technik auch sehr gut vorstellbar: Man stelle sich ein Team von Filmemachern vor, die im nicht-öffentlichen Bereich die Rohdaten ihres Projekts abgleichen wollen. Oder Musikschaffende. Blogger, die kollaborativ arbeiten. Menschen, die unterwegs Zugriff auf die wichtigsten Daten von ihrem Bürorechner haben müssen. Denn nicht zuletzt wird AllPeers einfacher einzurichten sein als ein FTP-Server.

Die Möglichkeiten sind vielfältig, aber es ist abzusehen, dass die Industrielobbies ziemlich schnell auf den Trichter kommen und ein Verbot von AllPeers fordern werden. Stichwörter hierfür sind Kinderpornographie und Bombenbauanleitungen (Terror), die in solchen Fällen ja immer als Killerargumente herhalten müssen.

Nichtsdestotrotz ist das Programm dann aber schon draussen. Und wenn die Entwickler ihr Versprechen wahr machen und aus AllPeers OpenSource wird…

In any case, we’re planning to open source AllPeers later this year (…). (Matthew, Entwickler von Allpeers, Quelle)

… kann es sowieso niemand mehr aufhalten.

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12 Gedanken zu „Filesharing 2.0“

  1. schöne zusammenfassung. habe das plugin heute mit freunden getestet. erser eindruck gut, allerdings ist die anmeldung noch instabil und verlangte mehrere versuchen.

  2. Bei mir hat die Anmeldung sofort geklappt. Ein bisschen enttäuscht war ich auf den ersten Blick. Das relativiert sich allerdings gerade auch wieder etwas. Man muss das GUI halt erstmal kapieren und sich vergegenwärtigen, dass AllPeers kein Programm mit einer großen Zahl an Einstellungsmöglichkeiten ist und sein wird. Keine Spur von irgendwelchem Port Forwarding-Gefrickel wie in eMule oder den üblichen Torrent-Programmen. Hat auch seine Vorteile: Ottonormaluser kommt flotter rein.
    Worauf ich jetzt warte ist, dass Instant Messaging richtig implementiert wird. Soll demnächst der Fall sein.

  3. Erster Eindruck: Gewöhnungsbedürftig, die Auswahl der Optionen und der Frame-Aufbau, könnte man vereinfachen.

    Das schöne an AllPeers ist ja gerade diese Einfachheit, kaum Einstellungen, kein überflüssiger Schnickschnack einfach nur Dateien hin und her schieben.

    Schließe mich da maloXP an, wird „the next big thing“ werden, oder ist es das nicht schon?

  4. In der ersten Woche wurde AllPeers 51839 mal runtergeladen.
    Aber der richtige Hammer ist diese Beta wirklich (noch) nicht. Die Bezeichnung ‚Drag’n’Share‘ bezeichnet bezeichnenderweise gerade NICHT AllPeers. Aber warten wir’s ab. Rom wurde ja auch nicht.. ach, ich geh schlafen.

  5. Was mich nervt ist, dass ich Dateien keinen Gruppen freigeben kann – da kommt bei mir immer ’ne Fehlermeldung. Ich hätte auch gerne einen Korb mit Files, die ich allen Kontakten freigeben kann. Ausserdem, überhaupt keinen Ãœberblick über den Upload, wie oft was hochgeladen wurde, wie schnell etc. zu haben – nervt noch. Aber gut, es ist eine Beta – im eigentlichen Sinne. Da wird noch einiges an Features hinterherkommen. Wenn demnächst die normale torrent-Funktionalität hinzukommt, verliert Opera jedenfalls mal wieder an Boden ggü. dem Firefox. =) Abwarten.

    @ Simon: Ich seh deine Shares leider nicht, nach wie vor nur das MP3 vom Anfang. Hast Du die Links von mir bekommen?

  6. maloXP, die Links hab ich bekommen, ja.

    Komisch… wenn ich auf meinen Namen (SimonSimon) und „Share only files with maloXP“ klicke, stehen da drei Ordner und ein Video. Ich hab nochmal alles gelöscht und neu freigegeben. Siehst du sie jetzt?

    Markus, unter welchem Namen bist du angemeldet?

  7. Pingback: AllPeers Public Beta Download Review Test - 1000ff

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